SoWi muss bleiben!

27. Januar 2021

Wie einige von Ihnen bereits aus der Presse oder auch aus den Diskussionen innerhalb der Studentenschaft mitbekommen haben, plant das Schulministerium des Landes NRW derzeit, das Fach Sozialwissenschaften (Politik, Wirtschaft, Gesellschaft bzw. Soziologie genannt) abzuschaffen und dieses durch Politik-Wirtschaft zu ersetzen. Hierbei wurde bereits Kritik auf zweierlei Ebenen geäußert.

Einmal auf der strukturellen Ebene, was zunächst den zukünftigen Verbleib der ausgebildeten LehrerInnen der Sozialwissenschaft und ebenso die aktuell Studierenden desselben Faches angeht.
Bisher stand im Raum, dass ausgebildete LehrerInnen für Sozialwissenschaften eine einjährige Fortbildung absolvieren sollen, um das Fach Politik-Wirtschaft entsprechend unterrichten zu kommen. Dieses warf Fragen nach der Umsetzung und den Kapazitäten an den Schulen während der Fortbildungen auf, die nicht beantwortet wurden. Dahingehend heißt es nun aber in einem Statement auf der Seite des Schulministeriums: „Bereits ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer mit dem Studienfach Sozialwissenschaften und einer entsprechenden Lehrbefähigung haben alle nötigen Voraussetzungen, das neue schulische Fach „Wirtschaft-Politik“ fachgerecht zu unterrichten. Eine weitere Qualifizierung ist nicht notwendig. Unabhängig davon steht allen Lehrkräften die Möglichkeit zur Fortbildung offen“, womit ein Teil des strukturellen Problems erst einmal beseitigt wäre. Hier bleibt jedoch offen, wie die Universitäten die geforderten Reglungen umsetzen sollen, da nicht nur Studiengänge verändert und erneuert werden, sondern auch die sozialwissenschaftlichen Fachdidaktiken angepasst werden müssen, ebenso wie Kernlehrpläne der Sek.II (Oberstufe), in denen die Sozialwissenschaft doch erst vor ein paar Jahren zu einem Kernfach der Lehramtsstudiengänge etabliert worden ist.

Der zweite kritisierte Punkt, auf dem in dem bereits zitierten Statement des Bildungsministeriums leider gar nicht eingegangen wird, ist, dass die Gesellschaftslehre, welche die dritte Disziplin der Sozialwissenschaften darstellt, in dem neuen Fach Politik-Wirtschaft keinen Platz mehr findet. Dieses stößt nicht zuletzt unter den Studierenden der Sozialwissenschaft, sondern auch innerhalb der Deutschen Vereinigung für politische Bildung ev. sowie der Deutschen Gesellschaft der Soziologie auf absolutes Unverständnis, wie deren veröffentlichten Statements zu dem Thema verdeutlichen.

Als einzige Begründung für den Ausschluss der Gesellschaftslehre ist bisher seitens des Ministeriums angeführt, dass das Fach Wirtschaft gestärkt werden müsse.
Was an dieser Stelle aber vergessen wird, und das ist auch der Grund für die immense Kritik über das Vorhaben, ist, dass Themenfelder in Wirtschaft als auch Politik erst durch die soziologische Gesellschaftslehre überhaupt verständlich werden. Bevor wirtschaftliche oder politische Sachverhalte untersucht werden können, muss erst dargelegt werden, wie menschliches oder gesellschaftliches Handeln funktioniert. Auch lebensnahe Beispiele im Politik-Bereich zu Themen wie Fridays for Future oder Black Lives Matter, durch welche der Sozialwissenschaftliche Unterricht in der Schule interessant gestaltet werden kann, haben ihre Grundsteine in der soziologischen Forschung.

Deswegen wäre es fatal für die gesellschaftlich- politische genauso wie die wirtschaftliche Bildung die Teildisziplin zugunsten von „mehr Wirtschaft“ auszuschließen. Vor allem weil diese Teildisziplin in keinem anderen Kernfach der gymnasialen Oberstufe integriert ist.

Dem Bildungsministeriums ist insofern rechtzugeben, als dass mehr wirtschaftliche bzw. finanzielle Bildung Einzug in die Kernlehrpläne erhalten sollte. Das steht auch im Interesse der CDU-Partei, der ich selbst angehöre. Aber dann bitte im Rahmen gut durchdachter Optionen (Bsp. wäre hier ein Grundkurs finanzielle und wirtschaftliche Bildung in der Oberstufe), die den sozialwissenschaftlichen Unterricht in seinen drei berechtigten Disziplinen wahren. Sonst wirkt es so, als würde man vor der kommenden Wahl im Jahre 2022 noch schnell „klientelpolitische“ Ziele durchsetzen wollen, bei denen der Ertrag für allem für die Schülerinnen und Schüler fraglich bleibt.

Felicitas Eßer
(2. stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Wetter aber zugleich Lehramtsstudierende der Fächer Deutsch, Geschichte und Sozialwissenschaften)

Petition, die man unterschreiben kann, um das Vorhaben zu verhindern:
https://www.change.org/p/das-fach-sozialwissenschaften-darf-nicht-abgeschafft-werden-sowibleibt

Bezüge:
Stellungnahme Schulministerium NRW. https://www.schulministerium.nrw.de/zur-aktuellen-debatte-um-die-lehramtsstudiengaenge-sozialwissenschaften-und-wirtschaft-politik
Stellungnahme der Deutschen Vereinigung für politische Bildung.
https://dvpb-nw.de/brandbrief-der-dvpb-nw-zur-neuen-lehramtszugangsverordnung-der-nordrhein-westfaelischen-landesregierung/
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
https://soziologie.de/fileadmin/user_upload/ausschuesse/schule/DGS-Stellungnahme_sozwiss._Lehramtsstudiengaenge_in_NRW.pdf

Hier nun die Fakten und Gründe bzgl. dieser Entscheidung auf Landesebene von Claudia Schlottmann MdL.

Zunächst möchte ich festhalten, dass es ein zentrales Ziel der CDU-Landtagsfraktion NRW ist, junge Menschen bestmöglich auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten und damit einhergehend sie in die Lage zu versetzen politische, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse verantwortungsvoll in unserer Gesellschaft mitzugestalten. Die Stärkung der ökonomischen Bildung dient der Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf eine selbstbestimmte Lebensgestaltung und einen erfolgreichen Berufseinstieg.

Aus diesem Grund haben wir in unserem Koalitionsvertrag im Jahr 2017 Folgendes festgehalten:

„Wir wollen Schülerinnen und Schüler besser auf eine selbstbestimmte Lebensgestaltung und einen erfolgreichen Berufseinstieg vorbereiten. Ökonomische Bildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung. Christdemokraten und Freie Demokraten werden daher an allen weiterführenden Schulen das Schulfach Wirtschaft etablieren, in dem unter anderem Kenntnisse unserer Wirtschaftsordnung ebenso wie Aspekte der Verbraucherbildung vermittelt werden.“

(Siehe auch: https://www.cdu-nrw.de/koalitionsvertrag-fuer-nordrhein-westfalen-2017-2022 ). Diesem Versprechen wollen wir gerecht werden.

An den Gymnasien ist das neue Schulfach Wirtschaft-Politik mit Beginn des Schuljahres 2019/20 im Zuge der Umstellung auf G9 in der Sekundarstufe I eingeführt worden. Mit Beginn des Schuljahres 2020/21 wurde an allen weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I das Schulfach Wirtschaft eingeführt und im gleichen Zug dessen Stellung im Fächerkanon gestärkt. In der Sekundarstufe II wird weiterhin das Fach „Sozialwissenschaften“ unterrichtet.

Frühzeitig wurde bei der Konzeption und Erarbeitung des Schulfachs durch das Ministerium für Schule und Bildung Wert darauf geachtet, dass die Einführung des Schulfachs Wirtschaft nicht zu Nachteilen anderer Schulfächer oder Lernbereiche führt, sondern unter gezieltem Rückgriff auf Ergänzungsstunden erfolgt. Durch die Einführung des Faches an den Schulen sind folglich Anpassungen bei den jeweiligen Studiengängen für die Qualifizierung künftiger Lehrkräfte notwendig geworden. Daher soll das bisherige Fach „Sozialwissenschaften“ als Lehramtsfach „Wirtschaft-Politik“ ein neues Profil erhalten. Das neue Lehramtsfach „Wirtschaft-Politik“ wird ein integratives Fach sein. Um dies deutlich zu sagen: Das heißt weder wird das Fach auf den Bereich Wirtschaft beschränkt, noch werden soziologische Unterrichtsinhalte gestrichen.

Im Rahmen einer breiten Anhörung von Verbänden und Hochschulen wurden die konkreten Regelungsentwürfe für die Planung der Lehrerausbildung behandelt und werden, nach einer entsprechenden Auswertung der Anhörung, demnächst dem Landtag unterbreitet. Der abschließende Verordnungsentwurf wird dann noch einmal in einer Kabinettbefassung und einer Information des Schul- und des Wissenschaftsausschusses im Landtag behandelt.

Die in der bisherigen Ausbildung akkreditierte Studiengänge können bis auf Weiteres weiter angeboten werden. Auch die in den nächsten Jahren noch zu erwerbenden Abschlüsse behalten ihre Gültigkeit. Jegliche Berechtigung, die in der Vergangenheit mit dem Fach „Sozialwissenschaften“ erworben wurde und in den kommenden Jahren von heutigen Studierenden noch erworben wird, bleibt erhalten. Damit ist die berufliche Perspektive aller Studierenden des Studiengangs „Sozialwissenschaft“ gesichert. Dis gilt ebenso für alle bereits ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer mit dem Studienfach „Sozialwissenschaften“. Sie erfüllen die Voraussetzungen, um das neue schulische Fach „Wirtschaft-Politik“ fachgerecht zu unterrichten. Eine weitere Qualifizierung ist nicht erforderlich.

Quellen und weiterführende Informationen:

https://intra.landtag.nrw.de/presse/pressemitteilungen/,DanaInfo=www.schulministerium.nrw.de,SSL+ministerin-gebauer-grundkenntnisse-wirtschaft-und-informatik-sind
https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/schulfach-wirtschaft-kommt-zum-schuljahr-202021
https://intra.landtag.nrw.de/presse/pressemitteilungen/,DanaInfo=www.schulministerium.nrw.de,SSL+ministerin-gebauer-grundkenntnisse-wirtschaft-und-informatik-sind
https://www.schulministerium.nrw.de/themen/schulpolitik/schulfach-wirtschaft
https://www.cdu-nrw-fraktion.de/artikel/oekonomische-kompetenzen-staerken