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Soziale Medien als Gefahr für die gepflegte Kommunikationskultur

Wir müssen wieder mehr miteinander sprechen und die Kommunikation aus der digitalen Welt in die analoge Realität zurückholen.

Mein Ansinnen ist es nicht, eine dichotome schwarz-weiß Erzählung zu zeichnen. Zweifelsohne haben die Sozialen Medien gewinnbringende Wechselwirkungen und ihre ganz eigenen Erfolgsgeschichten: Es gibt Berichte von verlorengegangenen Freunden oder Familienmitgliedern, die mit Hilfe von Facebook und Co. ausfindig gemacht werden konnten. Passende Knochenmarkspender konnten über öffentliche Aufrufe gefunden werden. Für viele ist die Social Media Nutzung ein amüsanter Zeitvertreib. Wiederum andere verdienen über die von ihnen generierte Reichweite viel Geld durch die Vermarktung von Produkten oder ihrer selbst.

Meine Stellungnahme beinhaltet meine ganz persönliche Wahrnehmung und stellt keinen erschöpfenden Anspruch auf Absolutheit.

Die Sozialen Medien sind inhaltlich und optisch strategisch so konzipiert, dass User in einer dauerhaften Nutzung gehalten werden. Psychologische Mechanismen werden durch technologische Funktionalitäten in Gang gesetzt. Durch die Massenspeicherung persönlicher Daten können Algorithmen unsere Verhaltensweisen voraussagen. Sie sorgen dafür in einem endless scrolling Themen und Produkte anzuordnen, die unser Interesse wecken. Besuchen wir unsere Accounts zeitweise einmal nicht, registrieren die Sozialen Medien dies und versuchen uns durch Benachrichtigungen zu einer Rückkehr zu animieren. Das perfide ist, dass uns dieser Umstand bekannt ist, wir aber trotzdem darauf reinfallen.

Dass wir als Nutzer manipuliert werden, viel Zeit vergeuden und uns danach teilweise sogar körperlich schlecht fühlen, ist das eine. Ein für mich ausschlaggebender Faktor, die Sozialen Medien zu verlassen, war die Erkenntnis, dass Kommunikationskultur und gepflegter menschlicher Umgang ganz offensichtlich zu einem lästigen Nebenprodukt verkommen ist. Das wohlwollende Miteinander leidet. Aus der Deckung der vermeintlichen digitalen Anonymität, werfen Querulanten verbale Handgranaten mit dem Ziel zu beschämen und zu diffamieren.

Manch einem scheint es schier unzumutbar, den spontan innerlich aufkeimenden Impuls auszuhalten und auf das Dazugeben des eigenen Senfs zu verzichten. Sich nur in die wertneutrale Beobachtung zu begeben und von meiner Lebensweise abweichende Ansichten ausschließlich wahrzunehmen, ohne das persönliche Unverständnis darüber zu äußern, kann auch eine Möglichkeit sein.

Um einen Sachverhalt zu kommentieren, bedarf es erst einmal der Beantwortung von dreierlei Fragen:

Hat mein Beitrag einen Mehrwert für den Empfänger?

Ist mein Beitrag inhaltlich klar und unmissverständlich formuliert?

Ist mein Beitrag würdig und respektvoll formuliert?

Um sich diese Fragen hinreichend zu beantworten, ist eine Denkleistung erforderlich. Diese wiederum benötigt Zeit. Aus der Selbstbeobachtung heraus kann ich berichten, dass einzelne Social Media Beiträge nie länger als einige Sekunden Aufmerksamkeit erhalten. Dies ist keine ausreichende Zeitspanne, um die oben formulierten Fragen zu beantworten und die daraus resultierende Conclusio dann in eine angemessene Schriftsprache zu überführen.  

Es ist ein allgemein anerkanntes, aber ungeprüftes Narrativ, dass die Alltagskommunikation ohne WhatsApp nicht mehr auskommen soll und dass Menschen des öffentlichen Lebens ohne Social Media Kanäle die breite Öffentlichkeit nicht erreichen können. Ich halte dies für hinterfragenswert.

Sich im Alltag vorrangig auf eine schriftliche Kommunikation zu stützen, führt häufig zu Missverständnissen, da wegfallende nonverbale Informationsquellen des Gegenübers nicht genutzt werden können. Kurze Telefonate zeigen sich deutlich ergiebiger, als Bandwurm-Chats bei WhatsApp. Ganz zu schweigen vom persönlichen Kontakt, bei dem ich sogar ins Gesicht meines Gesprächspartners schauen kann.

Mir wurden authentische Bedenken zugetragen, dass ohne die Nutzung von WhatsApp zukünftig kein Kontakt mehr möglich sei.

Wenn ein Programm auf einem Handy die Macht haben soll, bei seiner Nicht-Existenz, Menschen voneinander zu trennen, dann verliere ich nicht nur den Glauben in unsere Selbstbestimmtheit, sondern dann verliere ich den Glauben in das ernsthafte Interesse zwischenmenschliche Nähe herzustellen.

 

Herzlichst,

Eure

Désirée Nagel